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Montag, 17. Oktober 2011

Die Aufwendungen der Erwerber psychotherapeutischer Praxen könnten sinken

Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 09.08.2011 lässt für Psychotherapeuten die Aufwendungen für den Erwerb einer Praxis(-zulassung) eventuell sinken.

Für approbierte Psychotherapeuten bestehen für die Zulassung einer kassenärztlichen Praxis in einem gesperrten Zulassungsbezirk kaum Möglichkeiten. In der Regel muss ein bestehender Kassensitz eines z.B. aus Altersgründen aus der kassenärztlichen Versorgung ausscheidenden Kollegen erworben werden. Die Preise für solche psychotherapeutischen Praxen haben in den letzten Jahren ungeahnte Höhen erreicht: Je nach Stadt, Region bzw. Zulassungsbezirk sind Beträge zwischen 30- und 80.000 Euro zu bezahlen. Der Erwerber hat dann ein großes Interesse, diesen Kaufpreis in den folgenden Jahren steuerlich geltend zu machen (Abschreibung). Mit einem somit durch die steuerliche Entlastung realisierten höheren Einkommen könnte er einen Teil der aufgewendeten Investition wieder wett machen. Rechenbeispiel: Angenommener Kaufpreis 50.000 Euro, Steuersatz 42%; durch eine Ermäßigung der Steuer von 42% bezogen auf den Kaufpreis ergäbe sich ein um insgesamt 21.000 Euro höheres Einkommen. Das bedeutet umgekehrt, dass die Praxis(-zulassung) letztendlich "nur" 29.000 Euro kosten würde.
Leider hat der Bundesfinanzminister hier bisher einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Finanzämter erkannten eine Abschreibung auf die gesamte Kaufsumme nicht an, sondern nur auf einen (geringeren) Teilbetrag. Die Kaufsumme wird nämlich aufgesplittet in einen materiellen (Patientenstamm, Praxiseinrichtung etc.) und in einen immateriellen oder ideellen Wert, den sogenannten Geschäftswert. Dieser ist im Grunde der Preis für die Zulassung. Insbesondere bei einer psychotherapeutischen Praxis, im Gegensatz zu einer Vertragsarztpraxis, macht er den wesentlichen Teil der Kaufsumme aus. Die Finanzverwaltung hat sich aber auf den Standpunkt gestellt, dass sich der Geschäftswert nicht abnutzt und daher nicht abschreibbar ist.

Dieser Auffassung hat der BFH jetzt widersprochen und entschieden: Der immaterielle Praxiswert kann nach der Übernahme einer Vertragspraxis steuerlich als Abschreibung geltend gemacht werden.
Das heißt für einen Erwerber einer vollständigen Praxis, dass er unter Berufung auf das BFH-Urteil nun tatsächlich den kompletten Kaufpreis steuerlich abschreiben kann.

Das ganze hat aber vermutlich auch eine weitere Konsequenz, zum Leidwesen der Erwerber und zur Freude der Praxisverkäufer:
Da ersterem nun das volle steuerliche Abschreibungsvolumen zur Verfügung steht, was seine Investition verbilligt, steigt die Zahl der potenziellen Interessenten an einer Praxis. Dies versetzt den Verkäufer in die Lage, einen potenziell höheren Verkaufspreis für seine Praxis zu verlangen und zu realisieren.
Die Preise für psychotherapeutische Praxen mit Zulassung könnten also weiter steigen; durchaus auf eine Höhe, die die Investition für den Käufer letztendlich genauso teuer macht wie vor der neuen Abschreibungsmöglichkeit.

Samstag, 24. September 2011

Berichte an den Gutachter: Geht das aufwändige Gutachterverfahren seinem Ende zu?

Das mittlerweile vierzigjährige Gutachterverfahren in der Psychotherapie steht immer mal wieder in der Kritik, von mehreren Seiten. Kritisiert werden Qualitätsbeitrag, Kosten, Bürokratie, Sinnhaftigkeit und zu hoher Aufwand. Letzterer in erster Linie von den Psychotherapeuten, von denen verlangt wird, die Berichte, bis auf ein Almosen, gratis abzugeben. Aber sogar den Kassen sind die Kosten, die ihnen durch das Verfahren und die Gutachter entstehen, oftmals ein Dorn im Auge. Dabei haben sie es doch immerhin geschafft, den Löwenanteil des Aufwands (und damit der Kosten) den Vertragspsychotherapeuten auf zu bürden.

Der aktuellste Angriff auf das Gutachterverfahren kam vor Kurzem von der Techniker Krankenkasse (TK). In einer Pressemitteilung vom 26.05.2011 verkündet sie:

"Die TK spricht sich...dafür aus, künftig auf das aufwändige Gutachterverfahren zu verzichten."

Hintergrund ist eine Langzeitstudie, in Auftrag gegeben von: der TK. Diese kommt, nach eigener Aussage, zu dem Ergebnis: Das alte Gutachterverfahren "...ist für alle Beteiligten, Therapeuten, Patienten und Krankenkassen mit hohem bürokratischem Aufwand und Kosten verbunden. Unsere Studie zeigt jedoch, dass die Therapiequalität ohne Gutachten nicht schlechter ist und auch nicht mehr Therapiestunden abgerechnet werden." Als bessere Alternative zur Qualitätssicherung schlägt sie ein von ihr entwickeltes "moderneres, objektiveres und computergestütztes Monitoring-Verfahren" vor.

Wer jedoch einen genaueren Blick in diese Studie wirft (steht unter www.presse.tk.de zum Download), als es anscheinend die TK getan hat, erfährt überraschend etwas komplett anderes: In Wirklichkeit wurde ein von der TK entwickeltes Verfahren von regelmäßigen Qualitätsmessungen ("Monitoring-Verfahren") als Alternative zum traditionellen Gutachterverfahren untersucht und mit letzterem verglichen. Die Studie kommt zu dem tatsächlichen Ergebnis, dass das TK-Verfahren nicht weniger aufwändig sei als das bisherige Gutachterverfahren!
Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) bezichtigt die TK, „die Öffentlichkeit auf eine falsche Fährte“ zu führen und ist erbost darüber, „wie man ein gutes Studienergebnis umdreht und Folgerungen zieht, die den Ergebnissen widersprechen“.

Man fragt sich nun, warum die TK so sehr auf eine Diskreditierung des Gutachterverfahrens setzt, dass sie sogar eine Missinterpretation eines an sich seriösen wissenschaftlichen Modellvorhabens vornimmt. Honni soit qui mal y pense? Nun ja, Tatsache ist nun mal, liest man das Studienergebnis aufmerksam, dass die Kärnerarbeit im Alternativverfahren der TK die Therapeuten und deren Patienten leisten müssen. Im Gegensatz dazu verringert sich die Tätigkeit der von der Kasse bezahlten Gutachter, im Vergleich zu deren bisherigen Begutachtungen von Antragsberichten, signifikant. Ein neues Verfahren, das der Kasse weniger Kosten verursacht, nur den Therapeuten noch mehr (schlecht bezahlte) Arbeit, käme also der TK wahrscheinlich gerade recht.

Da die recht verzerrte Sichtweise der TK auf die Langzeitstudie wohl von den wenigsten geteilt wird, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die TK die Abschaffung des Gutachterverfahrens wird durchsetzen können.

Alle Vertragspsychotherapeuten werden somit wohl auch weiterhin nicht um das in der Tat aufwändige, bürokratische und schlecht bezahlte Gutachterverfahren, dem jedoch in der Studie auch ein positiver Beitrag zur Behandlungsqualität bescheinigt wird, herumkommen.

Zum Trost: Es hätte schlimmer kommen können.